Tierarzt muss nur auf Nachfrage umfassend über Risiken aufklären

Nach einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vom 15.01.2019 steht dem Eigentümer eines Hengstes kein Schadensersatz zu, wenn anlässlich einer Kastrationsoperation in der Aufwachphase nach der Narkose keine Aufstehhilfen verwendet werden, das Pferd sich dabei ein Bein bricht und aufgrund dessen euthanasiert werden muss.

Vergebens hatte der Eigentümer dem Tierarzt vorgeworfen, ihn nicht hinreichend über dieses Risiko aufgeklärt zu haben. Er wurde vielmehr zur Zahlung der Operationskosten verurteilt und erhielt auch keinen Wertersatz für sein totes Tier. Denn nach Ansicht des Gerichts hatte der Tierarzt nicht gegen Aufklärungs- oder Beratungspflichten verstoßen. Zwar hatte der Kläger nur ein Infoblatt erhalten, in dem ganz allgemein auf Operations- und Narkoserisiken hingewiesen wurde und ein Frakturrisiko nicht besonders erwähnt war. Diese Aufklärung genügte aber den rechtlichen Anforderungen.

Der Tierarzt muss ausgehend von den wirtschaftlichen Interessen, dem ideellen Wert des Tieres und dem Tierschutzgedanken beraten, damit der Auftraggeber dann abwägen kann, ob und welche Eingriffe durchgeführt werden sollen. Im Gegensatz zur Humanmedizin bestimmt sich der Umfang der Aufklärung also ganz wesentlich auch nach wirtschaftlichen Erwägungen. Die Aufklärungspflicht des Tierarztes geht deshalb umso weiter, je höher der Marktwert des Tieres ist oder je deutlicher ein gesteigertes ideelles Interesse des Auftraggebers erkennbar ist.

Demgegenüber muss der Tierarzt aber nicht ungefragt über alle möglichen operativen Risiken aufklären oder von sich aus Angaben zu Ablauf und Überwachung im Rahmen der Aufwachphase machen.

Auch über die Unterlassung von Aufstehhilfen muss der Tierarzt nicht gesondert aufklären. Denn diese gehören nicht zum tiermedizinischen Standard, sind umstritten und bieten auch keine Garantie für gefahrloses Aufstehen. Die Leitlinien der Bundestierärztekammer und der Gesellschaft für Pferdemedizin bezeichnen Aufstehhilfen als möglich und zeigen aber zugleich auf, dass Vergleichsstudien zur Wirksamkeit dieser Methode nicht existent sind. Die Unterlassung von Aufstehhilfen stellt also auch keinen Behandlungsfehler dar.

Da die Tierklinik eine wiederkehrende Überwachung in der Aufwachphase sichergestellt hatte, lag auch insoweit kein Fehler vor. Eine ununterbrochene Beobachtung der aufwachenden Tiere ist nicht üblich und hätte die Verletzung auch kaum verhindern können. Denn nach den Ausführungen des hinzugezogenen Sachverständigen war mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits der erste Aufstehversuch für die Fraktur verantwortlich.

OLG Dresden, Urteil vom 15.01.2019, Az. 4 U 1028/18

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