Unklare Wertminderung eines Sportpferdes bei Anfälligkeit

Kürzlich hatte der Bundesgerichtshof über einen Fall zu entscheiden, in dem ein für die olympischen Spiele vorgesehenes wertvolles Sportpferd zu Tode gekommen war. Der bayerische Tierarzt hatte an dem hustenden Pferd eine homöopathische Eigenblutbehandlung vorgenommen und unmittelbar darauf erlitt das Pferd einen anaphylaktischen Schock, es verstarb an Ort und Stelle.

Die Klägerin nahm ihren Tierarzt in Haftung und verlangte Schadensersatz mit der Begründung, dass sie über das Risiko nicht ausreichend aufgeklärt worden ist. Grundsätzlich müssen Tierärzte auch ausgehend von den wirtschaftlichen Interessen beraten. Die Aufklärungspflicht geht also umso weiter, je höher der Marktwert des Pferdes ist.

Im beschriebenen Fall wurde es für den Tierarzt deshalb zunächst ziemlich teuer: über 2 Instanzen wurde er zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe des Verkehrswertes von € 250.000,- verurteilt. Diese Summe hätte nach Darlegung der Klägerin aufgewendet werden müssen, um ein in etwa gleichwertiges Pferd zu erwerben.

Der Tierarzt allerdings war der Meinung, dass die Neigung zu einem anaphylaktischen Schock den Wert des Pferdes deutlich mindern muss, selbst wenn diese Eigenschaft erst nach dem Tod des Pferdes bekannt wurde. Er legte erfolglos Berufung ein, denn laut Oberlandesgericht kann es nicht darauf ankommen, wann eine Eigenschaft bzw. Krankheitsanfälligkeit bekannt wird. Da Anfälligkeiten üblicherweise gerade nicht bekannt sind, kann der Markt hierauf auch nicht mit Abschlägen reagieren.

Über die Nichtzulassungsbeschwerde konnte der Tierarzt dann aber ein Revisionsverfahren erzwingen und der Bundesgerichtshof sah die Sache völlig anders: Bei der Bemessung eines Schadens kommt es auf objektive Eigenschaften an und die Eigenschaft des Pferdes, auf homöopathische Behandlungen mit einem Schock zu reagieren, ist wertmindernd zu berücksichtigen. Denn andernfalls würde der Schadensberechnung ein höherwertigeres Pferd als dasjenige der Klägerin zugrunde gelegt und sie stünde hierdurch objektiv wirtschaftlich besser, als ohne das schädigende Ereignis. Der BGH konnte auf Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht ausschließen, dass das Pferd für eine anaphylaktische Reaktion besonders anfällig war. Wiederbeschaffungswert und damit auch die Höhe des Schadensersatzes müssten dann also unter dem vom OLG angenommenen Wert liegen.

Der BGH verwies den Rechtsstreit zurück an das OLG München. Dieses muss nun verhandeln und entscheiden, inwieweit der Verkehrswert des Pferdes durch die Anfälligkeit im Hinblick auf homöopathische Behandlungen gemindert war.

Sicher ist bislang nur, dass der Tierarzt mindestens 50.000,- Euro zahlen muss. Es bleibt also noch spannend.

BGH, Urteil vom 09.11.2021, Az. VI ZR 87/20

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