Grundsatz des wirtschaftlichen Totalschadens gilt nicht bei Tieren

Oder: Behandlungskosten eines Tieres dürfen dessen Wert übersteigen

Wenn ein bereits älterer PKW bei einem Verkehrsunfall beschädigt wird und dessen Reparatur deutlich teurer als die Wiederbeschaffung eines vergleichbaren Modells wäre, dann gilt die 130%-Regelung. Geschädigte können damit zwar wählen, ob sie ein vergleichbares Fahrzeug auf Kosten des Unfallverursachers kaufen oder ihr defektes reparieren lassen. Im letzteren Falle sind die Reparaturkosten, die der Schädiger erstatten muss, jedoch auf maximal 130% des Kaufpreises eines vergleichbaren Wagens beschränkt, es liegt ein sogenannter wirtschaftlicher Totalschaden vor. Ein Anspruch auf Erstattung darüber hinausgehender Reparaturkosten besteht selbst dann nicht, wenn das Fahrzeug top in Schuss war!

Wenn Tiere geschädigt werden, gilt dies nach ausdrücklicher Rechtsprechung des OLG Celle (Urteil vom 15.02.2023, Az. 20 U 36/20) aber glücklicherweise nicht. Auch wenn ältere Tiere oftmals keinen marktüblich messbaren Wert und im Zweifel nicht einmal mehr einen Schlachtwert haben, gehen deren Behandlungskosten unbeschränkt zu Lasten ihres Schädigers.

Im zugrundeliegenden Fall wurde ein 24 Jahre altes Pferd durch einen Hund aufgeschreckt und bis in die nächste Ortschaft gehetzt. Das Pferd stürzte mehrfach, verletzte sich dabei erheblich und musste schließlich operiert werden. Die Hundehalterin wurde zur Kostentragung sämtlicher Behandlungskosten verurteilt, auch wenn diese den Wert des Tieres um das 49-fache überstiegen.
Das Gericht entschied weiter, dass auch eine Haftungsminderung nicht Betracht kommt, obwohl das Pferd ein Fluchttier ist und damit praktisch den Schaden selbst mitverursacht hat. Denn der Hund hatte auch nach einer längeren Strecke nicht vom Pferd abgelassen, so dass die von ihm ausgehende Gefahr den eigenen Beitrag durch das Pferd damit deutlich überwogen hat.
Nach Ansicht des Gerichts verbietet sich eine streng wirtschaftliche Betrachtungsweise aufgrund der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf und schmerzempfindliches Lebewesen. Bei der Schadensbemessung sind sämtliche Umstände abzuwägen, insbesondere die Erfolgsaussichten der Behandlung, das Alter des Tieres und die Beziehung des Halters zu ihm.
Im entschiedenen Fall war der Wallach das erste Pferd, welches der Kläger überhaupt besaß und zu dem er von Anfang an eine besonders enge Bindung hatte. Er hatte das Pferd kurz nach dessen Geburt gekauft, auf ihm Reiten gelernt und es auch später weiter behalten und als Beistellpferd genutzt. Vor dem Unfall war das Tier in einem sehr guten Zustand.

Tipp:
An diesem Beispiel zeigt sich, wie wichtig eine Tierhalterhaftpflichtversicherung sein kann. Auch eine OP- und Krankheitskostenversicherung könnte im Schadensfalle Kosten reduzieren helfen.

Weitere Informationen unter: https://milarc.de/aktuell/

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